Dr. Caroline van Ackeren,
Landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg, Rinderhaltung Aulendorf
Eine erfolgreiche Kälberaufzucht ist die Basis für eine leistungsstarke Milchkuh. Die Fütterungskonzepte in den ersten Wochen tragen dazu maßgeblich bei. Die Kälberverluste (inklusive der Totgeburten) sind in Deutschland mit im Mittel 10 bis 15 % nach wie vor sehr hoch. Hauptursachen sind dabei Fütterungs- und Managementfehler. Ein besonderes Augenmerk ist daher auf die Gestaltung der Tränkekonzepte zu richten, da sich diese Phase nachhaltig auf den Aufzuchterfolg und die Leistungsfähigkeit der späteren Milchkuh auswirkt.
Biestmilchphase
Innerhalb der ersten 3 Lebensstunden sollte das neugeborene Kalb so viel Biestmilch (guter Qualität) wie möglich aufnehmen, mindestens jedoch 1,5 bis 2,0 Liter. Immunglobuline (Antikörper) von später verabreichter Biestmilch werden nicht mehr vollständig aufgenommen. Etwa 36 Stunden nach der Geburt ist die Resorptionsphase für großvolumige Immunglobuline abgeschlossen. Insgesamt können so am ersten Lebenstag 10 bis maximal 20 % des Lebendgewichtes an Biestmilch aufgenommen werden, verteilt auf 3 bis 4 Mahlzeiten.
Bereits während der Biestmilchphase (d.h. in den ersten fünf Lebenstagen) sollten die jungen Kälber freien Zugang zu qualitativ hochwertigem Heu und Kraftfutter haben: beide Futtermittel fördern ein zügiges Wachstum des Pansenvolumens und die Vergrößerung der Pansenzotten.
Die Vergrößerung der Pansenzotten ist für die Resorption der aus der Pansengärung stammenden Gärsäuren dringend erforderlich.
Kraftfutterkomponenten, die Stärke und kleinere Zuckermengen enthalten, eigenen sich hierfür besonders. Darüber hinaus ist dem jungen Kalb so früh wie möglich zusätzlich Wasser zur freien Aufnahme anzubieten.
Vormagenentwicklung
Die Vormagenentwicklung, wie in Abbildung 1 dargestellt, ist somit von der Festfutteraufnahme (Grob- und Kraftfutter) abhängig. Die notwendige Dauer der Tränkeperiode hängt maßgeblich von der Kraftfutteraufnahme ab. Voraussetzung für das erfolgreiche Absetzen ist eine Kraftfutteraufnahme in Höhe von mindestens 1 % der Lebendmasse bei gleichzeitigem Angebot von Strukturfutter. Dabei gilt der Grundsatz: Je früher abgetränkt wird, umso wichtiger ist die Qualität des Kälberaufzuchtfutters. Aufgeschlossene Komponenten oder leichtverdauliche Stärken (wie z.B. Haferstärke) sind für die Verdauungsenzyme des jungen Kalbes leichter zugänglich.
Unter „metabolischer Programmierung" versteht man kurzfristige Einflüsse auf die Nährstoffversorgung des Neugeborenen, die lebenslang die Leistungsfähigkeit der Organe beeinflussen können. Ein Energiemangel in den ersten Lebenswochen hat beim jungen Kalb gravierende Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der späteren Milchkuh. Während der ersten Lebenswochen sind die Kälber noch nicht in der Lage, Energielücken über eine ausreichende Festfutteraufnahme schließen zu können. Die Nährstoffzufuhr muss daher in dieser Zeitspanne über die Milch sichergestellt sein. Die Zuteilung einer begrenzten Milchmenge wird daher nach Kunz (2012) erst ab der vierten Lebenswoche empfohlen, da neuere Untersuchungen zeigen, dass die Kälber in den ersten drei Lebenswochen ad libitum zu tränken sind (Kunz 2012; Jurkewitz 2012). Im Anschluss an diese ad libitum Phase, ist die tägliche Tränkemenge stufenweise zu reduzieren und somit können die Kälber frühestens mit 8 bis 10 Wochen abgetränkt werden. Das sehr frühe Absetzen in der 7. Lebenswoche wird daher kaum noch praktiziert.
Diese intensive Nährstoffzufuhr in den ersten drei Lebenswochen kann sich nachhaltig positiv auf die Euterentwicklung und damit die spätere Milchleistung auswirken. Nähere Informationen zur ad libitum Tränke sind dem Fachbeitrag von Dr. Kunz zu entnehmen.
Tränke mit Vollmilch
Vollmilch ist als hochwertiges Futtermittel ideal auf die Bedürfnisse des jungen Kalbes abgestimmt. In den ersten fünf Laktationstagen gibt jede Kuh 60 bis 100 kg nicht marktfähige und damit unverkäufliche Transitmilch, die in der Aufzucht sehr gut eingesetzt werden können. Die täglich ermolkene Milchmenge übertrifft dabei den Bedarf des eigenen Kalbes und kann somit an andere Kälber verfüttert werden. Vollmilch enthält mehr Energie, mehr Eiweiß, mehr Fett und weniger Eisen als die am Markt erhältlichen Milchaustauscher (Tabelle 1). Nach der vierten Lebenswoche sollte in der Aufzucht die Vollmilchmenge auf 6 Liter pro Tag begrenzt werden, damit ausreichend Festfutter aufgenommen wird. Vollmilch sollte körperwarm, d.h.
mit 39°C getränkt werden. Vorschläge für Tränkepläne mit Vollmilch sind in Tabelle 2 zu finden. Eine Verlängerung der Tränkedauer bis zur 12. Lebenswoche ist bei Kälbern empfehlenswert, die durch ein geringeres Geburtsgewicht bis zur 10. Woche noch nicht die zum Absetzen notwendige Festfutteraufnahme erreichen. In biologisch wirtschaftenden Betrieben ist eine Tränkedauer von mindestens 12 Wochen generell einzuhalten.
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Auszug aus dem 52. Baubrief zur Kälber- und Jungviehhaltung. Sie können Baubrief in unserem Online-Shop bestellen.